003 Akzeptanz
Die Basis für innere Freiheit
„Wir können eine Sache nicht verändern, wenn wir sie nicht akzeptieren.“ C. G. Jung
Ein kleines Kind liegt auf dem Boden und brüllt sich die Seele aus dem Leib. Es lehnt sich auf, denn es muss sich dem Willen seiner Eltern beugen und will das einfach nicht akzeptieren. Sicher hast auch du schon einmal eine solche Situation beobachtet. Was ist dir aufgefallen?
Mir drängt sich in diesem Zusammenhang auch das Bild von der Phase nach dem Wutausbruch auf: Die ganze Energie ist verpulvert, die große Erschöpfung setzt ein und das Kind schläft irgendwann hicksend ein – ohne die Ursprungsituation zu seinen Gunsten verändert zu haben. Ich habe als Kind auch solche Situationen durchlebt und du sicher auch, oder?
Kinder sind sich selbst und ihren Bedürfnissen noch sehr nahe. Sie reagieren vollständig aus dem Gefühl heraus, wenn sich ihnen etwas in den Weg stellt. Als Erwachsene sind wir kopfgesteuerter. Wie gehst du heute mit Situationen um, in denen du dich fremdbestimmt fühlst? Fällt es dir schwer, diese anzunehmen und deine Energie für die Dinge einzusetzen, die du tatsächlich beeinflussen kannst?
Herausforderungen annehmen
„Akzeptanz“ ist eine der 7 Resilienzsäulen, wie Thomas in seinem vorangegangenen Blogbeitrag erwähnt hat. Geschehen ist geschehen und vorbei ist vorbei – klingt einfach, ist es aber leider nicht. Eine Untersuchung in Deutschland hat ergeben, dass Akzeptanz der am schwächsten ausgeprägte Resilienzfaktor unter den Menschen ist. Der am stärksten ausgeprägte ist die Lösungsorientierung. Im Aktiven sind wir gut – im Passiven, Ruhigen eher nicht!
Veränderungen in unserem Leben, mit denen wir konfrontiert werden und die wir freiwillig niemals so gewählt hätten, fordern uns heraus. Wir können uns dagegen auflehnen, oder wir können die Herausforderung annehmen. Entscheiden wir uns für die Auflehnung, bedeutet das, dass wir viel Energie aufwenden und uns den Kopf zerbrechen: „Was wäre gewesen, wenn ...“, „Warum habe ich nicht ...“, „Warum trifft es gerade mich ...“. Aber ändert das etwas? Wir machen uns selbst mürbe mit solchen Gedanken und beginnen uns im Kreis zu drehen.
Situationen, die wir nicht verändern können, anzunehmen, bedeutet nicht, dass wir aufgeben – im Gegenteil. Wir entscheiden aktiv, mit welcher Haltung wir einer Krise begegnen. Wir trennen klar, welche Dinge wir beeinflussen können und welche eben nicht. Und mit dieser Erkenntnis können wir unsere Energie auf die Dinge lenken, die wir gestalten können.
Optionen im Umgang mit belastenden Situationen
Menschen, die sich in Situationen befinden, mit denen sie sich schwer anfreunden können, wird häufig geraten: Take it (auch love it), change it or leave it! Dieser Ratschlag hat einiges mit dem zuvor beschriebenen Denkansatz gemeinsam. Wenn du die Möglichkeit hast, eine Situation zu deinen Gunsten zu verändern, dann tu’ es (change it). Wenn du aber keinen Einfluss nehmen kannst und du hast die Möglichkeit, dich aus dieser Situation zurückzuziehen, kann auch das eine Option sein (leave it).
Denk’ einmal an eine Jobsituation, in der du dich nicht mehr wohl fühlst. Hier hast du z. B. die Option auf ein Gespräch, in dem du deine Situation schildern und Änderungsvorschläge unterbreiten kannst. Verändert sich trotzdem nichts, dann kannst du dich entscheiden, dich beruflich zu verändern. Oder du sagst dir o.k. ich akzeptiere die Umstände und mache das Beste daraus. Auch das ist legitim und meint: Wenn du dich für das „Akzeptieren“ entscheidest, tu’ es mit voller Konsequenz und beginne nicht bereits morgen wieder deine Entscheidung zu hinterfragen. Akzeptiere dein Akzeptieren, und du wirst erstaunt sein, wie viel Ruhe und Freiheit dir diese Haltung bringen wird.
Und wenn die Situation nicht (mehr) zu verändern ist?
Wir werden in unserem Leben aber leider auch mit Situationen konfrontiert, in denen wir diesen Dreiklang der Auswahl nicht haben. Diese Umstände können ganz banal sein oder die Gefahr bergen, dich in eine Krise zu stürzen. Du hast dir eine Beule ins Auto gefahren? Du steckst ohne Ausweichmöglichkeit im Stau fest? Ein geliebter Mensch ist ernsthaft erkrankt? Oder ja, dein Kind hat das Elternhaus verlassen? Hier bleibt uns häufig als Option nur die des „Take it.“ Und auch hier gilt das oben Gesagte, verschwende deine Energie nicht für Dinge, die du nicht verändern kannst. Sage dir nicht nur in Gedanken „Ja, ja ich muss das wohl akzeptieren“, sondern bemühe dich, die Annahme tatsächlich zu verinnerlichen. Das beginnt damit, dass du statt „ich muss akzeptieren“ sagst „ich entscheide mich, zu akzeptieren, weil ...“. Nur dann wird dein Kopf loslassen und das Gedankenkarussell „Warum, wieso, weshalb" und "es wäre doch anders viel schöner“ kann stoppen. So erst wird dein Kopf frei für die Entwicklung konstruktiver Ansätze, wie du auf deine Art bestmöglich mit der herausfordernden Situation umgehen kannst.
Gefühle zulassen und verabschieden
Bist du verlassen worden? Ist es die große Liebe, die dir den Laufpass gegeben hat? Oder Ist es vielleicht dein Kind, das auszieht oder bereits ausgezogen ist? Oder überfordert dich die Situation, z. B. für deine Eltern oder ein krankes Familienmitglied sorgen zu müssen? Egal, ob deine Verzweiflung aus einem Verlust resultiert oder aus Überforderung – es sind immer starke Gefühle im Spiel.
Nehmen wir das Beispiel der flügge werdenden Kinder: Es trifft dich, denn du vermisst das vertraute Zusammenleben und die selbstverständliche Anteilnahme am Leben deines Nachwuchses. Das Haus ist plötzlich still, du sitzt einem schweigenden Partner gegenüber und weißt nicht wohin mit deiner Fürsorge. Nicht selten gesellt sich auch eine diffuse Angst hinzu. Du bist mitten in einem Veränderungsprozess mit ungewissem Ausgang. Vielleicht befürchtest du, den Kontakt zu deinem Kind gänzlich zu verlieren oder machst du dir Sorgen, dass dein Nachwuchs nicht alleine zurechtkommen wird?
Alle diese und viele weitere Gefühle können sich einstellen und sind nicht zu verurteilen. Nimm sie als natürlich an, setze dich allein, mit einer guten Freundin oder je nach Intensität auch mit einem Coach, mit deinen Empfindungen auseinander. Erst wenn du deine Gefühle akzeptierst und annimmst, kannst du sie auch wieder ziehen lassen und Raum für Neues in deinem Leben schaffen. Resilient zu reagieren heißt nicht, dass wir nicht leiden – aber es ermöglicht, dass wir die Dinge richtig einordnen können und unsere Ressourcen für den bestmöglichen Umgang mit der neuen Situation nutzen können.
Warum fällt uns Veränderung so schwer?
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und für viele bedeutet Veränderung erst einmal Stress.
Warum bleiben Menschen oft sogar in für sie sehr bedrückenden Situationen verhaftet, statt sich aus ihnen zu lösen? Häufig vermitteln ihnen die ungünstigen, aber vertrauten Umstände eine trügerische Sicherheit – im Gegensatz zu einer Veränderung. Dabei ist Entwicklung ohne den Willen und die Offenheit zu Veränderung nicht möglich. Wenn du den Blick immer in die Vergangenheit wirfst und nicht akzeptieren kannst, dass eine bestimmte Phase in deinem Leben vorbei ist, trittst du auf der Stelle und stehst dir und deinen Chancen im Weg.
Denke mal darüber nach, welche Veränderungen du schon in deinem Leben erlebt und gemeistert hast. Wie war das, als du Schulen gewechselt, deinen Freundeskreis aufgebaut hast, das erste Mal ohne deine Eltern in Urlaub gefahren bist, den Einstieg ins Berufsleben gemeistert oder ja – als du dein Elternhaus verlassen hast? War da nicht immer auch ein bisschen aufgeregtes Kribbeln und ein Abenteuergefühl im Spiel, als du dich gefragt hast, was dieser bewusste Schritt dich wohl entdecken lassen wird?
Viele von uns werden im Alter leider nicht risikofreudiger. Wir schätzen, was wir uns aufgebaut haben und wollen keine emotionalen Achterbahnfahrten mehr erleben. Und jetzt stürzt dich ausgerechnet dein Kind, das du so liebevoll bis zu seiner Selbständigkeit begleitet hast, in genau dieses Gefühlschaos. Es macht einen wichtigen Schritt in seinem eigenen Leben, indem es das Elternhaus verlässt und sich – hoffentlich – voller Zuversicht auf die eigenen Füße stellt. Und sei mal ehrlich: Wenn es nicht unbedingt dein eigenes Kind wäre, über das wir gerade sprechen, würdest du nicht sagen, dass dies doch eine ganz natürliche Entwicklung ist? Horch doch einmal in dich hinein, ob du in deinem Gefühlschaos nicht auch einen Funken Stolz empfindest. Was wäre, wenn dein Sohn oder deine Tochter noch im hohen Alter zu Hause wohnen würden? Fändest du das gut? Stattdessen haben deine Kinder das gesunde Selbstbewusstsein und den Mut, das Leben für sich zu erobern. Herzlichen Glückwunsch, dass du es geschafft hast, sie zu selbständigen Menschen zu erziehen!
Kleine Übung zur Akzeptanz
Unabhängig davon, mit welcher Situation du gerade konfrontiert bist, kannst du mit folgender Übung zur Akzeptanz arbeiten: Suche nach einem Satz, der klar formuliert, welchen Umstand du akzeptieren möchtest. Schreibe ihn auf und sammle positive Aspekte, was sich für dich verändern würde, wenn du ihn „einfach“ akzeptieren würdest (z.B. Ruhe, neue Energie, Leichtigkeit...). Verfasse auch diese Punkte schriftlich und ergänze sie in den nächsten Tagen um die weiteren positiven Auswirkungen, die dir sicher noch einfallen werden. Wenn du magst, lege dir ein kleines Resilienz-Arbeitsheft an, in dem du Gedanken, kleine Übungen u. Ä. sammeln kannst. Mit der Zeit wird dieses kleine Heft zum Kraftpool für deine Veränderung werden.
Visionen für dein Leben
Was aber wird jetzt aus dir und deinem Leben? Das musst du nicht schon heute so ganz genau wissen. Gib dir Zeit, vertraue dir und deiner Stärke und lenke deine Aufmerksamkeit langsam aus der Trauer heraus auf deine Bedürfnisse. Was tut dir gut und wofür war in der letzten Zeit nie wirklich ausreichend Raum? Wenn du deine Energie im Hier und Heute einsetzt, wirst du entdecken, was dir wichtig ist. Stärke deine optimistische Seite, und sie wird dich in der Planung deiner nächsten Schritte beflügeln. Du fragst dich wie das gehen soll? Genau hierzu wird Thomas dir in einer der nächsten Blog-Folgen spannende Anregungen liefern.
Vorher bleiben wir noch ein wenig bei dem Thema Akzeptanz, und du wirst in unserem nächsten Beitrag Roswitha kennenlernen. Roswitha ist u. a. Yogalehrerin, Mental- und Resilienztrainerin und komplettiert unser Trio. Du darfst gespannt sein, denn sie stellt gerade wunderbare Entspannungsübungen für dich zusammen. Bestens geeignet, um deine akzeptierende Haltung zu unterstützen und das neue Jahr gelassen zu begrüßen.
Wenn du Anregungen oder Fragen hast, nimm gerne über das Kontaktformular auf dieser Webseite Kontakt zu uns auf.
Wir freuen uns auf den direkten Austausch.
Bis bald, eure Astrid.
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