017 Netzwerkorientierung
Soziale Bindungen stärken die mentale Widerstandskraft
Ich bin zwar kein Sheriff, aber im Allgemeinen ganz gut für die Herausforderungen des Lebens gewappnet. Neulich hatten wir zu Hause allerdings eine sehr spezielle Situation. Meine Partnerin sollte am 23. Dezember noch eine kleine ambulante OP bekommen. Für den Heiligabend wäre dann ein professioneller Verbandswechsel nötig gewesen. Aber wer macht den? Die Ambulanz nicht, der Hausarzt nicht, wir fanden beim Herumtelefonieren niemanden, der an Heiligabend den Verbandswechsel durchführen konnte oder wollte. Und dafür ins 30 km entfernte Unfallkrankenhaus zu fahren, erschien uns absurd. Dann fiel mir jemand ein, den ich fragen konnte. Eine ehemalige Mitspielerin in meiner Volleyball-Gruppe arbeitet als Krankenschwester in der Uni-Klinik. Die habe ich angerufen und sie sagte spontan ihre Hilfe zu.
Und beim Nachdenken zu diesem Artikel fielen mir meine Volleyballer auch noch in einem anderen Zusammenhang ein: Wir haben uns untereinander früher immer bei unseren Umzügen geholfen. Das war großartig, viele helfende Hände am Start zu haben, und es hat darüber hinaus auch das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Mannschaft intensiviert. Für mich als Umzugskönig war es ein Segen. Klar, dass ich dann auch bei jedem anderen Umzug mit dabei war. Ehrensache! Das sind für mich zwei Beispiele, wie der Netzwerkgedanke lebt und Bindung entsteht, die das Leben wertvoll macht. Ein Netzwerk zu haben ist aber nicht nur bei dieser praktischen Unterstützung ein Segen.
Netzwerken ist viel mehr, als nur praktische Hilfe aufzubauen
Netzwerkorientierung klingt sehr sachlich und bei meinen beiden Beispielen oben ging es ja auch um „die Sache“, also eher um praktische Hilfe. Was hat das mit Resilienz zu tun? Du kannst Netzwerkorientierung auch als „mentales Stützen“ sehen, es mit „sozialer Bindung“ übersetzen. Diese sozialen Bindungen stärken die Widerstandskräfte. Das ist etwas, das man besonders in Krisen sieht und der Art, wie sie gemeistert werden. Ein sehr gutes Beispiel dafür sind Naturkatastrophen, etwa die Elbe-Flut 2002 oder, aktueller, die Hochwasserkatstrophe an der Ahr 2021. Hier wie auch damals an der Elbe haben die Betroffenen sehr zusammengehalten, halfen und helfen sich noch gegenseitig (praktisch) beim Wiederaufbau. Was oft viel wichtiger in Zeiten der Verzweiflung ist: Die Menschen haben sich gegenseitig Mut gemacht zum Weitermachen. Das Gefühl, nicht allein zu sein, miteinander verbunden zu sein und auch Trost zu finden, Solidarität im besten Sinne, ist das, was die seelische Widerstandskraft, deine Resilienz, stärkt.
„Ich erlebe eine große Zugewandtheit der Helfer und insgesamt eine große Hilfsbereitschaft. … Die Menschen sind sehr solidarisch miteinander verbunden.“ (Pfarrer Jörg Meyrer, Bad-Neuenahr-Ahrweiler, auf katholisch.de)
Kennst du aus deinem Leben krisenhafte Situationen? Dann schließe einmal die Augen und denk daran zurück, wie du und mit wessen Hilfe du diese kritischen Phasen gemeistert hast? Wie hatte sich das angefühlt, wie fühlt sich das jetzt an?
Investiere in gute Beziehungen!
Netzwerken bedeutet immer auch zu investieren. Die Währung im professionellen Bereich für Dienstleistungen ist die Bezahlung, im privaten Umfeld ist es die Zuwendung. Wobei selten mit gleicher Münze zurückgezahlt wird, es ist nur von Bedeutung, dass du weißt, was der/die andere braucht oder brauchen könnte und es im richtigen Augenblick anzubieten. Häufig entwickelt sich das ganz natürlich wenn man wertschätzend miteinander umgeht. Trotzdem kann es hilfreich sein, sich ein paar „Stützräder“ zu gönnen, die die Kontaktpflege vereinfachen: z. B. eine Geburtstagsliste zu führen von Freunden, Bekannten, Mitarbeitenden, schlicht allen Menschen, die du für dein Netzwerk als wertvoll erachtest, ergänzt mit deren Vorlieben für Wein, Essen, Unternehmungen etc.
Wenn du nicht der Typ bist, dem es leichtfällt, andere Menschen anzusprechen, dann ist es trotzdem gut, immer wieder etwas aufs Netzwerkkonto einzuzahlen und das Thema vielleicht ein wenig strategischer anzugehen. Es beginnt damit, sich damit zu beschäftigen, welche interessanten Fähigkeiten Top-Netzwerker haben, von denen man sich etwas „abgucken“ kann. Wir werden zwar als soziale Wesen geboren, aber gutes Netzwerken ist trotz nachgewiesenen Talents nicht nur Erbe, es muss erlernt und gefördert werden. Gute Netzwerker zu beobachten kann also für dich ein Schritt sein, es so oder so ähnlich auch mal zu versuchen. Zum Beispiel in Gesellschaft einen fremden Menschen anzusprechen. Für den Erfolg ist das Interesse am anderen hilfreich und das Fragen stellen. Stell dir gern eine konkrete Aufgabe für die nächste Feier. Ziel: Ich spreche einen mir fremden Menschen an und weiß hinterher mindestens drei Dinge über ihn aus den Bereichen Familie, Job und Freizeit.
Du kannst dich andererseits auch als Mentor für das Netzwerk anderer einsetzten, indem du Menschen in Kontakt bringst. So kannst du dir als Gastgeber vornehmen, zwei Personen, die sich nicht kennen, aber vermeintliche Schnittmengen haben in Beruf oder Freizeit/Hobby, miteinander ins Gespräch zu bringen.
(„Darf ich dir XY vorstellen, er/sie macht das und das, da bist du doch auch …)
Flexibel sein im Handeln und im Denken
Nicht jeder hat ein großes Netzwerk oder möchte auch so ein großes haben. Das ist eine Frage von Qualität nicht von Quantität.
So erklären sich die kleinen Kommunikationskatastrophen, wenn ein `Nähe orientierter` Mensch, der sich interessiert, viel fragt und sich kümmern will auf einen `distanzorientierten` Menschen trifft, der gern allein ist und soziale Auszeiten braucht, der gern schweigt und sich zurückzieht. Das ist sehr modellhaft gesprochen, spricht aber etwas Entscheidendes an: Wir brauchen für unsere Stärke eine Balance zwischen Nähe zulassen und Distanz aushalten. Für uns selbst und auch für das Zusammenleben mit anderen.
Und noch ein kleiner Tipp: Bemühe dich, nicht zu bewerten und aufzurechnen. Bei aller Hingabe, mit der du vielleicht deine Kontakte pflegst und aller Hilfsbereitschaft, die du an den Tag legst, es kann dir passieren, dass du einmal von einer Person nicht in dem Maße unterstützt wirst, wie du es vielleicht erwartest. Unterstützung gewähren ist stets freiwillig und wenn jemand, den du fragst, es ablehnt, so ist das nicht persönlich zu nehmen. Manchmal bedeutet so eine Anfrage einfach auch eine Überforderung. Vielleicht ist es dir selbst auch schon geschehen, dass du einfach überfordert warst und z. B. bei schwerer Krankheit oder dem Tod eines Menschen nicht so reagiert hast, wie du es eigentlich von dir selbst erwartet hättest? Das ist menschlich, sei also nicht zu streng mit dir und deinem Umfeld. Interessanterweise passiert das ganze auch umgekehrt: Es kommt Hilfe und Unterstützung von einer Seite von der man es nicht erwartet hätte. Ist das nicht tröstend?
Resiliente Menschen haben auch eine gute Wahrnehmung, welche Beziehungen ihnen Kraft geben und Verbindungen, die ihnen auf Dauer schaden. Sie können unterscheiden, ob sie konstruktive Kritik erhalten, die sie weiterbringt oder ob kritisiert wird, um sie zu schwächen.
Kleiner Netzwerkcheck
Für dich kann es daher wichtig sein, das Netzwerk, das du hast, einmal mit dem Netzwerk zu messen, das du gern hättest. Du kannst es am besten einmal auf einem großen Plakat aufmalen und dir Folgendes überlegen und eintragen:
- Wer gehört zu meinem engeren Netzwerk?
- Wer unterstützt mich besonders gut bei … ?
- Zu wem möchte ich die Netzwerkverbindung intensivieren und zu welchem Thema?
- Wer fehlt mir noch in meinem Netzwerk?
- Wer gehört in meinem Netzwerk zu den Energieräubern?
- Was konkret willst du tun, um mit mehr Nähe bzw. mehr Distanz deine Netzwerke zu organisieren und wachsen zu lassen?
Na, wie sieht sie aus, deine Netzwerkübersicht? Hast du Punkte gefunden, an denen du arbeiten möchtest?
Zum Abschluss zitiere ich gerne den Spruch „Geben ist seliger als Nehmen“ Hier steckt die Wahrheit drin, dass das Geben, Unterstützen, Helfen, glücklich macht. Und wie schon gesagt: Netzwerken schafft Bindung, die für unser (Seelen)Leben so wichtig ist, gerade in unsicheren Zeiten.
In diesem Sinne wünsche ich euch ein erfülltes Seelenleben, bis bald
euer Thomas
Netzwerken im Überblick:
- Netzwerken meint, Bindungen zu schaffen und zu pflegen- beruflich wie privat. Früh anfangen damit hilft. Meine Erfahrung zeigt, dass es auch nie zu spät dafür ist!
- Netzwerken ist ein Geben und Nehmen, wobei das Geben oft den zusätzlichen Glücksfaktor hat.
- Mach dir bewusst, wer du im Netzwerk bist (Was gibst du?) und wen du (für was?) brauchst.
- Ein gutes Netzwerk zu haben und vor allem es auch zu nutzen baut definitiv Stress ab!
- Trenn dich von denen, die dir deine Energie rauben oder halte sie zumindest auf Distanz!
- Gute soziale Bindungen helfen, in schwierigen Situationen sowohl praktische Unterstützung als auch seelischen Beistand zu bekommen und die Zuversicht nicht zu verlieren.
- Qualität geht vor Quantität!
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